Samstag, 15. Dezember 2018

FEMINISTISCHE GENERATIONSDIALOGE

Frankfurt, 22.-24. November

Am 22. und 24. November 2018 fanden im Historischen Museum in Frankfurt die „feministischen Generationsdialoge“ statt. Organisiert wurden sie vom Frauenreferat in Frankfurt und vielen weiteren Unterstützer*innen.
Persönliche Motivation
Mein Interesse an der Veranstaltung teilzunehmen, bestand zum einen darin, dass ich in den letzten Jahren immer stärker über meine Position als Frau in dieser Gesellschaft reflektiert habe und zum anderen gefiel mir die Idee sich über Generationen hinweg über Feminismus auszutauschen um gegenseitig voneinander zu lernen, Tipps auszutauschen und Fehler nicht zu wiederholen.
Auftaktpodium am Donnerstagabend
Die Veranstaltung begann am Donnerstagabend mit der Begrüßung durch Rosemarie Heilig(Dezernentin für Umwelt und Frauen). Garbriele Wenner und Linder Kagerbauer vom Frauenreferat, die Organisatorinnen der Veranstaltung, machten mit ihrer Begeisterung Lust auf den weiteren Abend. Auf dem anschließenden Auftaktpodium kamen chronologisch (mit der 2. Frauenbewegung nach dem 2. Weltkrieg beginnend bis heute) viele beeindruckende Persönlichkeiten der feministischen Bewegung zu Wort, unter ihnen viele woman of colour und nach Deutschland migrierte Frauen. Der Running Gag war das viele von Ihnen, sowohl weiße als auch schwarze Frauen, in einem katholischen Dorf aufgewachsen waren. In den Gesprächen wurde deutlich das die POC Frauenbewegung der weißen Frauenbewegung in einigen Punkten voraus war und sich die schwarzen Frauen mit der weißen Frauenbewegung oft nicht identifizieren konnten, weil sie auf Grund von Intersektionalität mit anderen Problemen konfrontiert waren. Mehr als deutlich wurde dabei dass Klasse, Geschlecht und Herkunft gemeinsam gedacht werden müssen. Es wurde angesprochen, dass Frauen mit Kopftuch erschreckenderweise, abgesprochen wurde (bzw. leider immer noch wird) Feministin zu sein oder über Feminismus zu sprechen. Ansonsten gab es noch drei weitere, für mich wichtige Kernaussagen:
1. Feminist*innen sollten sich trotz unterschiedlicher Schwerpunktthemen gegenseitig unterstützen: z. B. Migrant*innen können durch das zur Verfügung stellen von Räumen und Infrastruktur, sowie bei der Organisation von „Bühnen“ bzw. „Redezeit“ unterstützt werden.
2. Ohne Wurzeln können wir nicht weiterkommen (heutige feministische Bewegungen bauen auf den Errungenschaften vorangegangener feministischer Generationen auf), doch zugleich soll sich jede Generation selbst immer wieder neu entdecken!
3. Auch Männer müssen in die feministische Bewegung integriert werden (z. B. Straßen nach männlichen Feministen benennen → auch Männer brauchen Vorbilder
Samstag, 1. Workshop: „Kunst, Revolte, Allianzen“
Am zweiten Tag besuchte ich den Workshop „Kunst, Revolte, Allianzen. Zu Beginn des Workshops wurden  erstmal knallharte Zahlen und Fakten genannt um die Diskriminierung und Unterrepräsentation von Frauen in Theater und Kino deutlich zu machen. In der anschließenden Diskussion wurde klar, dass Männerpositionen nicht einfach durch Frauenpositionen ersetzt werden sollten, sondern dass es einen Bewusstseinswandel braucht. Weg von kapitalistischer Konkurrenz und Hierarchie hinzu kollektivem Gestalten und Solidarität; deswegen wurde auch die Rolle der Regisseur*in kritisiert. Wir kamen gemeinsam zu der Erkenntnis, dass Gremienarbeit auch autonomes Engagement braucht, damit die in Gremien Aktiven ihren Standpunkt, sich selbst und ihre „Herkunft“ nicht in patriarchalen Strukturen verlieren. Netzwerke und Allianzen wurden als Notwendigkeit zur Stärkung der feministischen Bewegung identifiziert. Es ist wichtig das wir         „aufeinander Lust machen“ um starke Bündnisse, Allianzen und Netzwerke zu erschaffen. Dabei spielt „Awareness“ und „emotionaler Support“ innerhalb der Gruppe eine tragende Rolle.
Im Sinne der Vernetzung und gegenseitigen Unterstützung hier ein paar Veranstaltungshinweise: am 18.01. gibt es in Frankfurt den „Women´s march“, am 8.03. zum Weltfrauentag wird zum Generalstreik aufgerufen und auch im nächsten Jahr findet hoffentlich die „Remake Frankfurter Frauenfilmtage“ statt. Die Podiumsteilnehmerin Rosa Wernecke hat selbst mit „swoosh Lieu“ drei Filme produziert und Simone Dede Aivi thematisiert Feminismus als Performerin, Regisseurin und Autorin auf der Bühne. Außerdem wurden auch zwei dänische Gruppen genannt: das „rote Socken Kollektiv“ und „The Magdalena Project“ als best-practice Beispiele von denen wir uns inspirieren lassen können.
Samstag, 2 Workshop: „Your Silence won´t protect you“
Am Nachmittag gab es dann noch eine zweite Workshopeinheit, in der ich den Workshop „ Your silence won´t protect you“ besuchte. Der Workshop bestand aus einer Podiumsdiskussion, in der es viel um Intersektionalität ging. In der Diskussion wurde das häufige Fehlen von Liebe, Empathie und Spiritulität angesprochen, sowie dass verschiedene Gruppe gegeneinander ausgespielt werden (z.B. weiße Feminist*innen gegen schwarze Feminist*innen), deswegen ist es wichtig, dass wir über unseren Tellerrand hinausschauen. Es gibt noch viel mehr als unsere individuellen Probleme und diese werden sich nicht lösen, wenn wir nicht gemeinsam die Strukturen die sie verursachen angehen. Privilegien sollten außerdem genutzt werden um weniger Privilegierten Zugänge zu verschaffen, wie schon am ersten Tag bei dem Auftaktpodium angeklungen war.
Zudem wurden alle Workshopteilnehmenden dazu aufgefordert Geschichte, Strukturen und die eigene Position in diesen immer mitzudenken. Auch in diesem Workshop kamen wir zu dem Ergebnis, dass wir uns untereinander vernetzen müssen, um uns gegenseitig zu unterstützen und voneinander zu lernen. auch einige bisher isolierte Aktivist*innen müssen eingebunden werden, dafür braucht es ein spezielles Bewusstsein und Aufmerksamkeit. Wir sollten uns auch nicht in „oppression olympics“ verzetteln, indem wir uns damit aufhalten wer das größte Unterdrückungsopfer ist.
Eine wichtige Kompetenz in der der heutigen Zeit ist es Widersprüche aushalten zu können, auch wenn zurzeit alles nach größtmöglicher Harmonie zu streben scheint. Es ist ganz natürlich, dass es unterschiedliche Meinungen und Interessen gibt. Der Begriff, der in diesem Zusammenhang  oft fiel,  war „Verständigungsprozesse“ und meint, dass wir lernen sollten gut zu kämpfen, indem wir eine gute Streitkultur etablieren. Eine ebenfalls wichtige, wenn auch harte Erkenntnis dieses Workshops war, dass wir uns immer bewusst machen sollten was für Ressourcen uns zur Verfügung stehen und welche Privilegien wir haben. Eine Augenhöhe zwischen unterschiedlich privilegierten Menschen ist leider nicht möglich, der respektvolle Umgang aber schon. Deswegen sollten wir uns auch nicht davon abhalten lassen solidarisch zu sein und gemeinsam für unsere Rechte zu kämpfen! Außerdem sollten wir nichts als selbstverständlich begreifen, was uns wieder zu dem Punkt führt, dass wir viele heutige Errungenschaften früheren feministischen Generationen zu verdanken haben. Zum Abschluss des Workshops haben wir noch einmal auf den Namen des Workshops „ Your silence won´t protect you“ Bezug genommen. Das Ergebnis: Wir sollten nicht nur auf die Menschen schauen, die laut sind und sich ins Scheinwerferlicht stellen, sondern auch auf die, die ruhig sind und schweigen, um diese Menschen nicht zu vergessen.
Der Abschluss
Der Tag endete mit einem Vortrag von Dörthe Jung über "Die zweite Frauenbewegung in Frankfurt von 1968-1990“. Im Anschluss diskutierte das Publikum darüber wie sich die feministische Bewegung nach 1990 weiterentwickelt hatte.
Am Sonntagmorgen schloss der Kongress dann mit einem Vernetzungsfrühstück ab, bei dem jeder Tisch einen Themenschwerpunkt mit eigenen Expert*innen hatte. Dort bekam ich die Tipps:
        Mentoringprogramm für junge/werdende Journalistinnen des Journalistinnen Bunds (https://www.journalistinnen.de/projekte/mentoring/?content=true)
        Zwei tolle Expert*innen Datenbanken sind der „Vielfaltfinde“ (https://www.vielfaltfinder.de/) und (https://www.femtech.at/content/expertinnen-suche)
        Die Seite https://mediendienst-integration.de/ wurde mir empfohlen um Zahlen aus herkömmlichen Medien gegenzuchecken.

Reflexion & Kritik
Insgesamt habe ich den Kongress als sehr bereichernd erlebt und bin mit vielen neuen Kontakten und Denkanstößen nach Hause gefahren.
Trotzdem kam mir der Dialog etwas zu kurz. Der Fokus der Veranstaltung lag aus meiner Sicht sehr auf der historischen Entwicklung der feministischen Bewegung. Ich hätte mich darüber gefreut, wenn auch die jüngeren Generationen mehr zu Wort gekommen wären um gemeinsam mit älteren Generationen über aktuelle, neue Herausforderungen zu sprechen und Lösungsstrategien zu entwickeln. Denn so hatte ich leider öfters das Gefühl, dass die älteren Generationen darüber mutmaßen was die heutige Generation so beschäftigt, wobei die Herausforderungen sich auf „Digitalisierung und Social Media“ reduzierten, wie meistens wenn über unsere Generation gesprochen wird. Wahrscheinlich weil das die offensichtlichste Unterscheidung unserer Generation zur vorherigen ist. Doch gerade weil die Veranstalter*innen geschafft haben wirklich alle Generationen auf den Kongress zu locken, hätte ich mich sehr gefreut den Dialog stärker zu nutzen um auch unsere Generation ihre Perspektiven auf Herausforderungen schildern zu lassen, weil es noch viel mehr Veränderungen in unserer Generation gibt als nur die Digitalisierung. Beispielsweise dass unsere Generation viel verwobener mit dem männlichen Geschlecht aufgewachsen ist als sich das die älteren Generationen vielleicht vorstellen können. Dies birgt sowohl Chancen der Zusammenarbeit über Geschlechtergrenzen hinweg, als auch die Gefahr des Glaubens der schon erreichten Gleichberechtigung, so wie viele weitere Gefahren weil Diskriminierungungsstrukturen immer versteckter werden. 

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