Am 22. und 24.
November 2018 fanden im Historischen Museum in Frankfurt die „feministischen
Generationsdialoge“ statt. Organisiert wurden sie vom Frauenreferat in
Frankfurt und vielen weiteren Unterstützer*innen.
Persönliche Motivation
Mein Interesse an
der Veranstaltung teilzunehmen, bestand zum einen darin, dass ich in den
letzten Jahren immer stärker über meine Position als Frau in dieser
Gesellschaft reflektiert habe und zum anderen gefiel mir die Idee sich über
Generationen hinweg über Feminismus auszutauschen um gegenseitig voneinander zu
lernen, Tipps auszutauschen und Fehler nicht zu wiederholen.
Auftaktpodium am Donnerstagabend
Die Veranstaltung
begann am Donnerstagabend mit der Begrüßung durch Rosemarie Heilig(Dezernentin
für Umwelt und Frauen). Garbriele Wenner und Linder Kagerbauer vom
Frauenreferat, die Organisatorinnen der Veranstaltung, machten mit ihrer
Begeisterung Lust auf den weiteren Abend. Auf dem anschließenden Auftaktpodium
kamen chronologisch (mit der 2. Frauenbewegung nach dem 2. Weltkrieg beginnend
bis heute) viele beeindruckende Persönlichkeiten der feministischen Bewegung zu
Wort, unter ihnen viele woman of colour und nach Deutschland migrierte Frauen.
Der Running Gag war das viele von Ihnen, sowohl weiße als auch schwarze Frauen,
in einem katholischen Dorf aufgewachsen waren. In den Gesprächen wurde deutlich
das die POC Frauenbewegung der weißen Frauenbewegung in einigen Punkten voraus
war und sich die schwarzen Frauen mit der weißen Frauenbewegung oft nicht
identifizieren konnten, weil sie auf Grund von Intersektionalität mit anderen
Problemen konfrontiert waren. Mehr als deutlich wurde dabei dass Klasse,
Geschlecht und Herkunft gemeinsam gedacht werden müssen. Es wurde angesprochen,
dass Frauen mit Kopftuch erschreckenderweise, abgesprochen wurde (bzw. leider
immer noch wird) Feministin zu sein oder über Feminismus zu sprechen. Ansonsten
gab es noch drei weitere, für mich wichtige Kernaussagen:
1. Feminist*innen
sollten sich trotz unterschiedlicher Schwerpunktthemen gegenseitig unterstützen: z. B. Migrant*innen können durch das zur
Verfügung stellen von Räumen und Infrastruktur, sowie bei der Organisation von
„Bühnen“ bzw. „Redezeit“ unterstützt werden.
2. Ohne Wurzeln
können wir nicht weiterkommen (heutige feministische Bewegungen bauen auf den
Errungenschaften vorangegangener feministischer Generationen auf), doch
zugleich soll sich jede Generation selbst immer wieder neu entdecken!
3. Auch Männer
müssen in die feministische Bewegung integriert werden (z. B. Straßen nach männlichen Feministen benennen → auch
Männer brauchen Vorbilder
Samstag, 1. Workshop: „Kunst, Revolte, Allianzen“
Am zweiten Tag
besuchte ich den Workshop „Kunst, Revolte, Allianzen. Zu Beginn des Workshops
wurden erstmal knallharte Zahlen und
Fakten genannt um die Diskriminierung und Unterrepräsentation von Frauen in
Theater und Kino deutlich zu machen. In der anschließenden Diskussion wurde klar,
dass Männerpositionen nicht einfach durch Frauenpositionen ersetzt werden
sollten, sondern dass es einen Bewusstseinswandel braucht. Weg von
kapitalistischer Konkurrenz und Hierarchie hinzu kollektivem Gestalten und
Solidarität; deswegen wurde auch die Rolle der Regisseur*in kritisiert. Wir
kamen gemeinsam zu der Erkenntnis, dass Gremienarbeit auch autonomes Engagement
braucht, damit die in Gremien Aktiven ihren Standpunkt, sich selbst und ihre
„Herkunft“ nicht in patriarchalen Strukturen verlieren. Netzwerke und Allianzen
wurden als Notwendigkeit zur Stärkung der feministischen Bewegung
identifiziert. Es ist wichtig das wir
„aufeinander Lust machen“ um starke Bündnisse, Allianzen und Netzwerke
zu erschaffen. Dabei spielt „Awareness“ und „emotionaler Support“ innerhalb der
Gruppe eine tragende Rolle.
Im Sinne
der Vernetzung und gegenseitigen Unterstützung hier ein paar Veranstaltungshinweise: am 18.01. gibt
es in Frankfurt den „Women´s march“, am 8.03. zum Weltfrauentag wird zum
Generalstreik aufgerufen und auch im nächsten Jahr findet hoffentlich die
„Remake Frankfurter Frauenfilmtage“ statt. Die Podiumsteilnehmerin Rosa
Wernecke hat selbst mit „swoosh Lieu“ drei Filme produziert und Simone Dede
Aivi thematisiert Feminismus als Performerin, Regisseurin und Autorin auf der
Bühne. Außerdem wurden auch zwei dänische Gruppen genannt: das „rote Socken
Kollektiv“ und „The Magdalena Project“ als best-practice Beispiele von denen
wir uns inspirieren lassen können.
Samstag, 2 Workshop:
„Your Silence won´t protect you“
Am Nachmittag gab
es dann noch eine zweite Workshopeinheit, in der ich den Workshop „ Your
silence won´t protect you“ besuchte. Der Workshop bestand aus einer
Podiumsdiskussion, in der es viel um Intersektionalität ging. In der Diskussion
wurde das häufige Fehlen von Liebe, Empathie und Spiritulität angesprochen,
sowie dass verschiedene Gruppe gegeneinander ausgespielt werden (z.B. weiße
Feminist*innen gegen schwarze Feminist*innen), deswegen ist es wichtig, dass
wir über unseren Tellerrand hinausschauen. Es gibt noch viel mehr als unsere
individuellen Probleme und diese werden sich nicht lösen, wenn wir nicht
gemeinsam die Strukturen die sie verursachen angehen. Privilegien sollten
außerdem genutzt werden um weniger Privilegierten Zugänge zu verschaffen, wie
schon am ersten Tag bei dem Auftaktpodium angeklungen war.
Zudem wurden alle
Workshopteilnehmenden dazu aufgefordert Geschichte, Strukturen und die eigene
Position in diesen immer mitzudenken. Auch in diesem Workshop kamen wir zu dem
Ergebnis, dass wir uns untereinander vernetzen müssen, um uns gegenseitig zu
unterstützen und voneinander zu lernen. auch einige bisher isolierte
Aktivist*innen müssen eingebunden werden, dafür braucht es ein spezielles
Bewusstsein und Aufmerksamkeit. Wir sollten uns auch nicht in „oppression
olympics“ verzetteln, indem wir uns damit aufhalten wer das größte
Unterdrückungsopfer ist.
Eine wichtige
Kompetenz in der der heutigen Zeit ist es Widersprüche aushalten zu können,
auch wenn zurzeit alles nach größtmöglicher Harmonie zu streben scheint. Es ist
ganz natürlich, dass es unterschiedliche Meinungen und Interessen gibt. Der
Begriff, der in diesem Zusammenhang oft
fiel, war „Verständigungsprozesse“ und
meint, dass wir lernen sollten gut zu kämpfen, indem wir eine gute Streitkultur
etablieren. Eine ebenfalls wichtige, wenn auch harte Erkenntnis dieses
Workshops war, dass wir uns immer bewusst machen sollten was für Ressourcen uns
zur Verfügung stehen und welche Privilegien wir haben. Eine Augenhöhe zwischen
unterschiedlich privilegierten Menschen ist leider nicht möglich, der
respektvolle Umgang aber schon. Deswegen sollten wir uns auch nicht davon
abhalten lassen solidarisch zu sein und gemeinsam für unsere Rechte zu kämpfen!
Außerdem sollten wir nichts als selbstverständlich begreifen, was uns wieder zu
dem Punkt führt, dass wir viele heutige Errungenschaften früheren
feministischen Generationen zu verdanken haben. Zum Abschluss des Workshops haben
wir noch einmal auf den Namen des Workshops „ Your silence won´t protect
you“ Bezug genommen.
Das Ergebnis: Wir sollten nicht nur auf die Menschen schauen, die laut sind und
sich ins Scheinwerferlicht stellen, sondern auch auf die, die ruhig sind und
schweigen, um diese Menschen nicht zu vergessen.
Der Abschluss
Der Tag endete mit
einem Vortrag von Dörthe Jung über "Die zweite Frauenbewegung in Frankfurt
von 1968-1990“. Im Anschluss diskutierte das Publikum darüber wie sich die
feministische Bewegung nach 1990 weiterentwickelt hatte.
Am Sonntagmorgen
schloss der Kongress dann mit einem Vernetzungsfrühstück ab, bei dem jeder
Tisch einen Themenschwerpunkt mit eigenen Expert*innen hatte. Dort bekam ich
die Tipps:
•
Leitfaden für
Rassismus kritischen Sprachgebrauch vom Anti-Diskriminierungsnetzwerk Köln (http://www.oegg.de/download.php?f=6392542ff71fd48eedfd130caaa159a1 & target=0)
•
Mentoringprogramm für junge/werdende
Journalistinnen des Journalistinnen Bunds (https://www.journalistinnen.de/projekte/mentoring/?content=true)
•
Zwei tolle Expert*innen
Datenbanken sind der „Vielfaltfinde“ (https://www.vielfaltfinder.de/) und (https://www.femtech.at/content/expertinnen-suche)
•
Die Seite https://mediendienst-integration.de/ wurde mir
empfohlen um Zahlen aus herkömmlichen Medien gegenzuchecken.
Reflexion & Kritik
Insgesamt habe ich
den Kongress als sehr bereichernd erlebt und bin mit vielen neuen Kontakten und
Denkanstößen nach Hause gefahren.
Trotzdem kam mir
der Dialog etwas zu kurz. Der Fokus der Veranstaltung lag aus meiner Sicht sehr
auf der historischen Entwicklung der feministischen Bewegung. Ich hätte mich
darüber gefreut, wenn auch die jüngeren Generationen mehr zu Wort gekommen
wären um gemeinsam mit älteren Generationen über aktuelle, neue Herausforderungen
zu sprechen und Lösungsstrategien zu entwickeln. Denn so hatte ich leider
öfters das Gefühl, dass die älteren Generationen darüber mutmaßen was die
heutige Generation so beschäftigt, wobei die Herausforderungen sich auf
„Digitalisierung und Social Media“ reduzierten, wie meistens wenn über unsere
Generation gesprochen wird. Wahrscheinlich weil das die offensichtlichste
Unterscheidung unserer Generation zur vorherigen ist. Doch gerade weil die
Veranstalter*innen geschafft haben wirklich alle Generationen auf den Kongress
zu locken, hätte ich mich sehr gefreut den Dialog stärker zu nutzen um auch
unsere Generation ihre Perspektiven auf Herausforderungen schildern zu lassen,
weil es noch viel mehr Veränderungen in unserer Generation gibt als nur die Digitalisierung.
Beispielsweise dass unsere Generation viel verwobener mit dem männlichen
Geschlecht aufgewachsen ist als sich das die älteren Generationen vielleicht
vorstellen können. Dies birgt sowohl Chancen der Zusammenarbeit über
Geschlechtergrenzen hinweg, als auch die Gefahr des Glaubens der schon
erreichten Gleichberechtigung, so wie viele weitere Gefahren weil
Diskriminierungungsstrukturen immer versteckter werden.
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