oder
Wie es dazu kam, dass eine junge, lebensfrohe Frau weinend auf dem Marienplatz stand.
Seit ca. 2 Monaten ist die junge Frau
zurück aus Costa Rica. Bis zu diesem Moment wurde sie auf den
europäischen Rechtsruck nur hin und wieder durch Erzählungen oder
Nachrichten aufmerksam gemacht. Doch als sie jetzt ahnungslos dem
Tumult auf dem Marienplatz entgegen geht und beginnt sich die Plakate
und Schilder der Pegida-Demonstranten durchzulesen steigen ihr auf
einmal die Tränen in die Augen.
Niemals zu vor hatte sie eine
Demonstration so sehr verletzt, so viel Trauer in ihr hervorgerufen.
Vielleicht liegt es daran, dass sie in
Costa Rica einen Vorgeschmack davon bekommen hat, wie schlimm es sich
anfühlen muss in ein anderes Land vertrieben zu werden.
Vielleicht liegt es daran, dass sie
sich selbst nicht mehr so „deutsch“ fühlt.
Vielleicht aber auch daran, dass ihr
Freund ausländischer Herkunft ist.
Sie schaut auf die unglaublich
hasserfüllten Plakate und schüttelt den Kopf über die unglaublich unrealistische Hoffnung
ohne Ausländer einen demographischen Wandel herbeiführen zu können.
Die junge Frau weint weiter. Es möchte sich
wehren doch sie weiß nicht wie. Sie steht stumm da, nimmt alles in
sich auf und denkt nach, die meisten Sprüche, die die anderen
Gegendemonstranten rufen, gefallen ihr nicht. Irgendwann versucht sie
dann doch ihren stummen Protest lauter werden zu lassen. Doch es kommt nur ein krächzen aus ihrem Hals.
Sie erinnert sich an einen
unveröffentlichten Blogeintrag. Er handelt von Nationalstolz. Wie
schön er sein kann.
„Doch meine Heimat scheint noch nicht
bereit zu sein ihn zu lesen. Noch ist sie nicht reif genug.“ denkt
sich die junge Frau.
Sie fragt sich, ob sie ihn wohl eines Tages noch veröffentlichen kann.
Sie fragt sich, ob sie ihn wohl eines Tages noch veröffentlichen kann.
Sie wünscht sich stolz auf ihr Land
sein zu können. Sich nicht klein machen zu müssen, wenn sie Jemand
fragt wo sie her kommt. Sie wünscht sich Chancengleichheit für
ihren Freund und eines Tages für ihre Kinder, in ihrem Land.
Der Anblick der Pegida- Anhänger lässt sie frösteln, so grausam wirken sie auf sie. Die rechte, feindliche Stimmung legt sich wie ein kaltes, trostloses Tuch um ihre Schultern.
Sie fühlt sich Ohnmächtig gegenüber dieser Menschen, die dort auf
der anderen Seite des Zauns stehen und der Stimmung die in Europa
angeheizt wird. Wieder kullern Tränen über ihre Wangen.
Doch als sie das nächste Mal die
Pegida Anhänger betrachtet ist da nicht nur noch tiefe Trauer und
Verständnislosigkeit in ihr. Eine Weste mit der Aufschrift “Abschiebe
Helfer“ würde sie am liebsten zerreißen. Sie schließt sich laut
der Rufe ihre Mitstreiter an. Denn sie ist nicht Ohnmächtig!
Auf der Seite der jungen Frau stehen
nämlich mehr Menschen als bei den Leuten die Pegida Propaganda
predigen.
Die glauben das Kultur etwas statisches
ist. Werte und Normen sich nicht verändern dürfen. Doch Kultur ist
dynamisch und genau deswegen so faszinierend. Dynamisch, wie fast
alles in diesem Leben, auf dieser Welt, denn alles wandelt sich oder
ist zum scheitern verurteilt.
Die junge Frau will friedlich
demonstrieren und nicht stumpf provozieren.
Will klug und gewitzt reagieren.
Die Pegida Rufe werden lauter und die junge frau weiß einfach nicht was sie den "alternativen Fakten" entgegensetzen soll, als sich auf einmal die Töne einer Trompete
über den Marienpaltz erheben. Alle anderen Geräusche nichtig
erklingen lässt. Die junge Frau fängt an zu singen. Die
Europahymne.
"Freude, Elixier der Frauen ihrer innersten Natur. Freude lässt sie tiefer schauen als mit äußeren Sinnen nur. Freude hebt die matten Schwingen zu des Adlers Flug empor. Lässt sie mit den Brüdern singen. Ist der Menschheit neuer Chor." Eine Umdichtung der Europhymne von Irmtraud Maier
Nun hat die junge Frau die perfekte
Protestform gefunden, die sie diesen verbitterten Menschen, entgegensetzen
will. Musik.
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(c) Plange, tz (Quelle https://www.tz.de/muenchen/stadt/altstadt-lehel-ort43327/pegida-demo-muenchen-polizei-mahnt-friedlich-bleiben-6024615.html …) |
Dieser einzige Mensch der mit seiner
Trompete den ganzen Platz beschallt und alle übertönt.
Er gab dem Mädchen wieder Hoffnung,
Mut und Energie weiter zukämpfen.
Er zeigt so offensichtlich, dass eben
doch der einzelne Mensch etwas zu sagen hat und viel Bewegen kann.
Die Energien solcher Menschen sind es
die die junge Frau antreiben und wieder lebensfroh machen.
Keine zwei Stunden später sitze ich
mit dem Aktivisten @Pfui deifi Pegida in einer Bar, bei einer
Johannnisbeerschorle und plane mit neu getankter Kraft den nächsten
Demo Besuch.
Als ich in meine Jackentasche greife,
erinnert mich nur noch mein von Tränen durchnässtes Taschentuch an
die weinende junge Frau auf dem Marienplatz.
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